Phase 1: Der Projekt-Einstieg:
Ausgangsmaterialien und Problemabgrenzung

 

Ausgangsmaterialien

Wenn man im Erdkunde-Unterricht "China" thematisiert, wird man - neben vielem anderen - wohl auf jeden Fall auch die Frage der Bevölkerungsentwicklung thematisieren. Dazu findet man seit vielen Jahren immer wieder Presseartikel wie den folgenden, die Anlaß zu einer genaueren Beschäftigung mit dieser Problematik bieten können:


(M1): Chinas verbotene Kinder

Im Gegensatz zu der altchinesischen Weisheit "Viele Kinder, großes Glück" wird heute auf Plakaten, Parteitagen und sogar in Popsongs die Parole "Ein-Kind-Familie: Dein Glück und Chinas Glück" verkündet. Die Chinesen - ein Volk ohne Geschwister.

Der Grund für die radikale Forderung liegt in einer nüchternen Überlegung der Partei:

In den 37 Jahren zwischen 1912 und 1949 wuchs die Bevölkerung Chinas von 406 auf 542 Millionen, in den drei Jahrzehnten zwischen 1949 und 1980 jedoch von 542 Millionen auf eine Milliarde. Wenn sich die Bevölkerung weiter so explosionsartiw vermehrt, "verhungerten in wenigen Jahren hier die Menschen auf den Straßen wie in Indien und in Afrika."

Aber nicht nur wegen der Wohn- und Ernährungsprobleme wollen die Zukunftsplaner den Menschenzuwachs verringern. "Anstatt Geld in immer neue Ausbildungsinstitute zu stecken, wollen wir mehr Kapital in Industrieanlagen investieren." Schließlich soll die "Ein-Kind-Familie" im Kampf gegen die wachsende Jugendarbeitslosigkeit helfen. Das Land hat nicht nur die Schwierigkeit, die Bäuche zu füllen, sondern auch Hirn und Hände zu beschäftigen. Da muß das kinderliebende Herz zurückstecken.

(Auszug aus: ZEIT-Magazin Nr. 39 vom 21.9.1984, S.15/16)


Nachforschungen in einschlägigen Statistischen Veröffentlichungen ergeben folgenden Befund:

(M2): Kenndaten ter Bevölkerungsentwicklung in China 1970 und 1990:
Jahr

Geburtenziffer
(Promille)

Sterbeziffer
(Promille)

Bevölkerung
(in Mio)

Kinderzahl
(je Frau)

Einzelkinder
(in % der Neugeborenen)

1970

33,59

7,76

871

4,01

20

1990

20,98

6,28

1134

2,42

51,9

(Quelle: Bejing Rundschau vom 12.3.1991, S.28 und Fischer Weltalmanach 1982,1992)


 

Diese Materialien provozieren u.a. folgende Fragen:

 

Die erste dieser Fragen fordert die Schülerinnen und Schüler dazu heraus, sich als "Datendetektive" zu betätigen. Dies wäre, zumal in Verbindung mit der Beschaffung und Exploration weiterer Daten zur früheren Entwicklung der chinesischen Bevölkerung, sicher ein eigenes Unterrichtsprojekt (vgl. auch den entsprechenden Arbeitsbereich zur "Explorativen Datenanalyse" auf dem NRW-Bildungsserver) und soll deswegen hier nicht weiter dargestellt werden.

Die dritte Frage macht deutlich, daß Daten- und Prognose-Zahlen zur Bevölkerung Chinas für sich allein noch keinen Sinn machen, sondern auf dem Hintergrund einer (mehr oder weniger umfassenden) geographischen Analyse Chinas bewertet werden müssen. Dazu gibt es bereits eine Vielzahl von Unterrichtsmaterialien, so daß hier auf entsprechende Untersuchungen verzichtet werden kann.

Im übrigen zielen die Fragen ab auf Prognosen auf der Grundlage von Daten, wie sie oben in (M2) zusammengestellt sind. Wie man auch in der Schule mit Hilfe geeigneter Computerprogramme (hier: DYNASYS) Bevölkerungsprognosen selbst erstellen kann, soll im folgenden am Beispiel Chinas genauer dargestellt werden. 

Zunächst müssen dazu die Schülerinnen und Schüler durch Reduktion und Abstraktion von dem realen System "Bevölkerung Chinas" auf der Grundlage der vorhandenen Daten ein geeignetes quantitatives Modell entwickeln.

Nach einem solchen Modellbildungsprozeß sollen sie mit Hilfe von Computer-Simulationen, d.h. durch Experimentieren innerhalb der Modellebene, die jeweils gesuchten Modellgrößen ermitteln und diese dann hinsichtlich ihrer Aussagekraft bzgl. des realen Systems interpretieren.


©   Hulmut Kohorst   01.10.1996


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